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Hüter der Tomaten
Blick auf das Gewächshaus, dahinter das Betriebsgebäude
20 Jahre Demeter-Gärtnerei
Hüter der Tomaten
Gärtnerei Kronacker in Vollersode-Wallhöfen: 20 Jahre
nachhaltige Landwirtschaft
Landwirt und Gärtnermeister Rainer Merkt betreibt seit 2005 die
Demeter-Gärtnerei Kronacker in Vollersode-Wallhöfen. Tomaten
sind eines seiner Spezialgebiete.
Auf der knapp acht Hektar großen Fläche wird das Gemüse im
Freiland oder den sechs Gewächshäusern gezüchtet. Die
Gärtnerei vertreibt ebenfalls Saatgut. Die Demeter-Gärtnerei
Kronacker in Vollersode-Wallhöfen feiert 20-jähriges Bestehen.
Jessica Mintelowsky
Wallhöfen. Das Gegacker, das aus der Ferne zu hören ist,
kommt schnell näher. Synchron biegen kurz darauf Hans und
Franz um die Ecke. Ihr Gefieder glänzt wie ein paar Schuhe
nach der Politur. Der rote Kamm der beiden zuckt bei jeder ihrer
zackigen Bewegungen. Zügig checken sie die Lage – ihr kleiner
Kopf schellt vorwitzig von einer Seite zur nächsten, die Äuglein
blinzeln hektisch. Dann picken sie augenscheinlich beliebig den
Boden nach Insekten ab und ziehen weiter Richtung
Gewächshäuser. Die beiden Zwerghähne leben seit zwei Jahren
auf dem Hof der Demeter-Gärtnerei Kronacker in Vollersode-
Wallhöfen.
Hier sind auch die Landwirte Rainer Merkt und Anne Klein zu
Hause. Auf knapp acht Hektar Land baut das Ehepaar mit
seinem Team etwa 40 Gemüsesorten und diverse Kräuter an und
vertreibt diese in Abokisten, die sie an ihre rund 1000 Kunden –
die meisten davon Stammkunden – liefern. In diesem Jahr feiert
das Paar das 20-jährige Bestehen ihres Hofs, den es nach
Demeterrichtlinien beackert. Als Rainer Merkt und seine Frau
Anne Klein damals starten, haben sie 20 Kunden. Das Gemüse
liefern sie an Lütjes Hofladen in Verlüßmoor und acht Bioläden
in Bremen. Das restliche Gemüse vermarkten sie zu dieser Zeit
bereits über die Abokiste. Im ersten Jahr hat das Paar eine
Aushilfe, ein Jahr später unterstützt ein Lehrling. Mittlerweile
arbeiten 25 Menschen für die Gärtnerei.
Bei der Bestellung der Felder achtet das Kronacker-Team streng
auf die Fruchtfolge. Die Felder sind in sechs gleichgroße
Flächen unterteilt. Jeweils zwei Abschnitte werden gleichzeitig
mit Gründünger bestellt – für den Bodenaufbau. Vier Felder
werden mit Gemüse bebaut. Jedes Jahr wird gewechselt. Auf
den Feldern, auf denen in diesem Jahr Dünger wächst, wird im
nächsten Jahr Kürbis angebaut, danach Salat oder Kohl. „Der
Fruchtwechsel ist wichtig, damit der Boden nicht müde wird“,
sagt Rainer Merkt.
Die raue Lage am Rande des Teufelsmoors sei eine
Besonderheit, auffällig die oft ausgeprägte Frühjahrstrockenheit,
so Merkt. Auch der Klimawandel mache sich bemerkbar. Hitze
bedeute Stress für die Pflanzen. Bewässern müsse man zu
Jahreszeiten, in denen das anfangs nicht notwendig war. Früher
habe er oft bis Mitte Mai mit Frost rechnen müssen, heute sei
dieser aufgrund der globalen Erwärmung nicht mehr so spät zu
erwarten, sagt der 61-Jährige.
Der gelernte Landwirt und Gärtnermeister ist in Binningen am
Bodensee aufgewachsen. Nach der Schule macht er zunächst
eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten und arbeitet ein
paar Jahre im Steuerbüro, bevor er sich für die Landwirtschaft
zu interessieren beginnt: Die Eltern seiner damaligen Freundin
haben einen Betrieb mit 20 Milchkühen und Getreideanbau.
Merkt melkt und füttert.
„Ich glaube, ich werde jetzt Bauer“, sagt Merkt zu seiner
Freundin. Je mehr er darüber nachdenkt, desto stärker wird sein
Wunsch. Weil er viel über Selbstversorgung liest und Messen
besucht, ist ihm schnell klar: Er möchte in Demeter-Betrieben
arbeiten. Das landwirtschaftliche Grundjahr in Überlingen Ende
der 1980er-Jahre ist sein Einstieg in die biodynamische
Landwirtschaft. Das erste Ausbildungsjahr als Landwirt
absolviert er noch am Bodensee. Dann geht seine damalige
Partnerin zum Studium ins niedersächsische Ottersberg. Merkt
schließt sich an. Nach verschiedenen Stationen in der
Landwirtschaft und der Trennung von seiner Partnerin nimmt
Rainer Merkt 2001 die Arbeit als Betriebshelfer auf einem Hof
bei Oldenburg auf. Dort lernt er seine heutige Frau Anne Klein
kennen, die ebenfalls Landwirtin ist. Mit ihr startet er nach
einem Crashkurs zum Gärtnermeister 2005 die Gärtnerei
Kronacker.
Hans und Franz echauffieren sich hörbar, als sich ein Mensch
nähert. Sie werden zwar solidarisch, doch tonal mehr schlecht
als recht von den beiden Gänsen unterstützt, die neugierig ihre
Hälse durch den Zaun stecken. Hans und Franz drehen eine
weitere Runde über den Hof. Beim Hoffest vor zwei Jahren
fängt Anne Klein die beiden ausgesetzten Hähne ein. Dass das
männliche Geflügel einfach so an der Straße freigelassen wird,
ist auf dem Land keine Seltenheit. Auch Merkt und Klein wollen
Hans und Franz zunächst nicht behalten. Im letzten Jahr ist
bereits vom Kochtopf die Rede. Doch dann retten ihre
ausgeprägten Wachhahnqualitäten den beiden Brüdern das
Leben: Als sich ein Habicht am Kükengehege bedienen will und
die Küken bereits in die Ecke gedrängt hat, stellen Hans und
Franz den Angreifer und schreien, was das Zeug hält. So lange,
bis Rainer Merkt schließlich nachschaut, was los ist und den
Habicht damit in die Flucht schlägt. Die Brüder seien sehr mutig
gewesen, so Merkt. Schließlich hätte der Habicht auch leicht
einen der Hähne angreifen können.
Außer Hans und Franz leben drei weitere Hähne, 15 Hühner,
vier Katzen, ein Hund und fünf Rinder auf dem Hof von Rainer
Merkt und Anne Klein. Die Rinder liefern den
Wirtschaftsdünger für die Felder. Diese müssen mehrmals im
Jahr bestellt werden. Die größte Anbaufläche nimmt neben den
Salaten der Kohl ein – rund zehn Sorten bauen die Landwirte an.
Im Frühjahr wird Pak Choi und Spitzkohl herangezogen, später
werden diese vom Weiß- und Grünkohl abgelöst, danach hat der
Rosenkohl seinen Auftritt. In den Gewächshäusern gedeihen
überwiegend Tomaten – absatzmäßig der Dauerbrenner. Viel
Pflege benötigt die Gurke: Sie muss jede Woche gewickelt, die
Seitentriebe ausgegeizt, die Beikräuter entfernt werden. Da sie
ein feuchtes Klima bevorzugt, muss sie zwei Mal pro Woche –
an heißen Tagen sogar zwei Mal täglich – bewässert werden.
Alle zwei Tage wird geerntet – auch am Wochenende.
Rainer Merkts Lieblingsgemüse ist Mangold, seine Frau
präferiert Fenchel. Beim Salat sind sie sich einig. Davon haben
die Landwirte diverse Sorten im Angebot: Feldsalat, Rucola,
Postelein, Batavia, Eichblatt, Kopfsalat, Römer, Endivie. Ab
Herbst essen und verkaufen sie Zuckerhutsalat, ein bitterer
Wintersalat, der im August angebaut und zwischen Oktober und
Weihnachten geerntet wird. Im Kühlhaus gelagert, kann der
Salat bis in den Februar verzehrt werden. „Die Bitterstoffe sind
sehr gesund für die Leber“, so Merkt. Etwas Apfel könne den
Geschmack neutralisieren. In ihre Biokisten kommt jede Woche
ein Rezeptvorschlag – als Inspiration. Neben dem Anbau des
Gemüses züchtet und vertreibt das Ehepaar auch Saatgut.
Die Bruderhähne haben derweil ihren Rundgang abgeschlossen.
Die Gänse sind ebenfalls still geworden. Doch eins ist sicher:
Auch die nächsten Besucher der Kronacker-Gärtnerei werden
von den Wachhähnen lautstark angekündigt. „Die schlagen an“,
sagt Rainer Merkt mit einem Augenzwinkern. Die Katzen haben
andere Bedürfnisse. Vor allem eins: Schlafen.
An diesem Sonnabend, 23. August, feiert das Paar das 20-jährige
Bestehen ihres Unternehmens mit einem Hoffest. Um 14 Uhr
eröffnet Rainer Merkt das Fest, danach gibt es einen
Feldrundgang und eine Schlepperrundfahrt zu den in der Nähe
weidenden Rindern. Auch ein Gärtnereiquiz, bei dem die Gäste
durch die Anlage gelotst werden, ist geplant. Musiker Eberhard
Gutjahr sorgt für jazzige Liveklänge aus aller Welt. Für Kinder
gibt es eine Kletterheuburg und Ponyreiten. Eine
Tomatenverkostung, Kaffee, Kuchen und Würstchen füllen den
Besuchern die Bäuche.